In den Städten stehen verletzliche Gebäude auf weichem Untergrund
Erdbeben gehören neben Pandemien und Strommangellagen zu den grössten Risiken der Schweiz, in der urbanen Nordwestschweiz noch etwas mehr als in der ländlichen Südostschweiz. Im Gespräch mit Rolf Widmer, Bereichsleiter Schaden, erfahren wir, wie die Versicherungssituation im Falle eines Erdbebens aussieht.
Rolf Widmer, sind Erdbeben in der Schweiz ein ernst zu nehmendes Risiko?
Auch wenn die Schweiz nicht zu den seismisch aktivsten Regionen der Welt gehört, so besteht trotzdem ein ernst zu nehmendes Risiko. In der Schweiz bebt die Erde durchschnittlich 500 bis 800 Mal pro Jahr. Nur zehn bis fünfzehn dieser Beben sind für die Menschen spürbar. Diese Beben weisen eine Stärke von mehr als 2.5 auf der Richterskala auf. Ab einer Stärke von fünf Magnituden ist mit Gebäudeschäden zu rechnen.
Anhand des nationalen Erdbebenrisikomodells konnten erstmals die Folgen von Erdbeben in der Schweiz beziffert werden. Über einen Zeitraum von 100 Jahren können Erdbeben in der Schweiz allein an Gebäuden und ihren Inhalten einen wirtschaftlichen Schaden von 11 bis 44 Milliarden CHF verursachen. Hinzu kommen Schäden an Infrastrukturen und Verluste durch weitere Folgen von Erdbeben wie Hangrutschungen, Feuer oder Betriebsunterbrüche. Diese wurden bisher im Erdbebenrisikomodell nicht berücksichtigt.
Das grösste Erdbebenrisiko weisen die städtischen Gebiete auf, wo viele, teils besonders verletzliche Gebäude oft auf einem weichen Untergrund stehen, der Erdbebenwellen verstärkt.
Sind Erdbeben über die gängigen Versicherungen gedeckt?
Erdbebenschäden sind im Rahmen der obligatorischen Feuer- und Elementarschadenversicherungen nicht gedeckt. Versicherer verfügen zwar über Fonds für freiwillige Leistungen, diese decken jedoch nur einen kleinen Teil des vorhandenen Erdbebenrisikos in gewissen Kantonen ab. Es existieren jedoch freiwillige Versicherungslösungen, um Schäden an Gebäuden, beweglichen Sachen, daraus entstehende Kosten und Betriebsunterbrüche zu decken.
Grosses Risiko, kaum versichert: Müsste es nicht eine obligatorische Erdbebenversicherung in der Schweiz geben?
Heute besteht keine obligatorische Erdbebenversicherung in der Schweiz. Nur ungefähr 15 Prozent der Hauseigentümerinnen und -eigentümer haben eine private Versicherung für Erdbebenschäden. Die Erdbebenversicherung könnte jedoch obligatorisch werden. Der Bundesrat hat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage für eine Verfassungsänderung zu erarbeiten. Die Vorlage sieht vor, dass bei einem schweren Erdbeben alle Hauseigentümer in der Schweiz über eine sogenannte Eventualverpflichtung einen Beitrag zum Wiederaufbau von beschädigten Gebäuden leisten müssten.
Der Brokerverband SIBA lehnt diesen Vorschlag aus verschiedenen Gründen ab: siehe untere Box.
Wie würde ein Erdbeben von den Ämtern und Versicherern abgewickelt?
Eine neu gegründete und sich im Aufbau befindende Schadenorganisation Erdbeben (SOE) soll Erdbeben so schnell wie möglich bewältigen. Im Ernstfall werden Fachleute, bestehend aus Ingenieuren, Architekten und Versicherungsfachleuten der SOE, die in Mitleidenschaft geratenen Gebäude besichtigen und eine Schadenschätzung für Reparatur und Wiederaufbau erstellen. Diese Schätzung bildet die Grundlage für mögliche Hilfsgesuche der Kantone an den Bund für rasche finanzielle Wiederaufbauhilfe sowie für die Festlegung einer Entschädigung durch die Assekuranz. Zudem wurde ein Tool entwickelt, das eine effiziente Meldung und Abwicklung der Schäden ermöglicht.
Herzlichen Dank, Rolf Widmer für die interessanten Informationen.
Möchten Sie mehr über das Risiko und die Deckung von Erdbebenschäden erfahren? Nehmen Sie mit uns Kontakt auf. Wir prüfen gerne für Sie die Möglichkeiten und Kosten einer Erdbebenversicherung.
- Bevölkerung und Wirtschaft können sich gegen Erdbeben versichern
- Vorschlag ist keine Versicherung, sondern hat den Charakter einer Zusatzsteuer
- Vorschlag ist unvollständig, da er keinen Schutz für Hausrat und Fahrhabe darstellt
- Vorschlag hat krisenverstärkende Wirkung
- Im Falle eines schweren Erdbebens wäre die Verfügbarkeit der Mittel zu wenig schnell
- Eine staatliche Lösung verhindert die internationale Beteiligung zur Krisenminderung