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04/11/2021

Markttendenz: vom Softmarkt zu risikoorientierten Prämien

In den letzten Jahren bis 2020 konnten Unternehmen mehrheitlich von einer stabilen Basis der Versicherungsbranche ausgehen. Höhere Prämiennachlässe sowie Kapazitäten der Versicherungssummen wurden im weichen Versicherungsmarkt (vom Englischen «Soft Market») grosszügig gewährt.

 

Angespannter Versicherungsmarkt

Die Coronapandemie und die zahlreichen Naturkatastrophen der letzten Monate haben die Versicherungsbranche hart getroffen. Neben hohen Schadenzahlungen durch Betriebsschliessungen oder Veranstaltungsausfälle aufgrund der Covid-19-Krise galt es auch die massiven Schäden nach den aktuellen Naturereignissen zu decken. Hinzu kommen geringere Kapitalerträge. In der Summe werden die Versicherer gezwungen, ihre operativen Ergebnisse zu verbessern.

 

Unternehmen spüren Konsequenzen

Zu spüren bekommen den raueren Wind nun vor allem grosse Unternehmen. Sie werden mit einer markant veränderten Risikotransfer-Situation konfrontiert. Diese reicht von höheren Prämien bis hin zu einem generellen Verlust des Zugangs zum Versicherungsmarkt oder zumindest zum Ausschluss gewisser Deckungen. Wie lange diese Situation anhalten wird, ist ungewiss. Die Marktkorrektur – weg vom «Softmarkt» hin zu einer risikoadäquaten Prämienkalkulation – dürfte noch eine Weile anhalten.

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation auf die einzelnen Sparten?

Die Marktlage bleibt angespannt, jedoch zeigen erste Hinweise auf eine Stabilisierung hin. Trotzdem: Auch bei einem schadenfreien Verlauf und gleichbleibendem Risikoprofil werden Kapazitäten nach wie vor reduziert und Prämien erhöht. Die Gründe für diese Marktverhärtung liegen in immer höheren Forderungen, neuen und häufigeren Ansprüchen und drohenden Insolvenzen als Folge der Wirtschaftskrise aufgrund der Coronapandemie. Aber auch die steigende Komplexität von Risiken, welche die globale Vernetzung, die Digitalisierung, Technologisierung und der Datenschutz mit sich bringen, wirkt sich aus. In den nächsten Monaten dürfte sich die weitere Marktentwicklung abzeichnen.

Cyber-Angriffe haben stark zugenommen, speziell solche mit sogenannter Ransomware, mit der Daten blockiert werden, um dafür Lösegeld zu fordern. Dies hat zur Folge, dass Versicherer höhere Anforderungen an die IT-Sicherheit ihrer Kundinnen und Kunden stellen. Die Unternehmen sind gefordert, ihr Risikomanagement zu überprüfen und wenn nötig mit entsprechenden Investitionen zu optimieren. Nur so kann das Restrisiko mit einer Versicherung abgedeckt werden. Wir gehen davon aus, dass die Versicherer in den kommenden Jahren die Kapazitäten konsequent reduzieren und Prämien sowie Selbstbehalte erhöhen werden.

Geprägt von hohen Schadenzahlungen durch Naturkatastrophen und die Coronapandemie erwarten wir weiterhin steigende Prämien und sinkende Kapazitäten. Im Bereich des Brandschutzes werden höhere Anforderungen gestellt. Nur mit einer konsequenten Umsetzung von entsprechenden Empfehlungen können komplexe Risiken platziert werden. Der Druck bei den anstehenden Vertragserneuerungen dürfte generell zunehmen. Die Versicherer sehen im Klimawandel und den immer verheerenderen Folgen von Naturereignissen eine rasante Entwicklung, die auch künftig das Prämienniveau nach oben treiben dürfte.

Der Haftpflichtmarkt ist grösstenteils von steigenden Prämien und sinkenden Kapazitäten verschont. Bei komplexen Risiken wie Automobilzulieferern, Pharma, Krankenhäusern und Unternehmen mit einer Exponierung in den USA zeichnete sich schon seit längerer Zeit eine Marktverhärtung ab. Die Prämien und Selbstbehalte für diese Risiken dürften deutlich steigen. Hinzu kommt ein erhöhter Informationsbedarf von Seiten der Versicherer zur Qualifizierung der Risiken.

Der Markt der Personenversicherungen ist seit Jahren sehr anspruchsvoll. Steigende Schadenzahlen gepaart mit unrentablen Portfolios stellen eine grosse Herausforderung für Versicherer dar. Viele Menschen sind dem steigenden Druck in den Unternehmen nicht gewachsen oder leiden unter den Folgen der Coronapandemie. Damit steigen die Fälle von Arbeitsunfähigkeit. Die sinkenden Lohnsummen führen zu tieferen Prämieneinnahmen bei den Versicherern. Deshalb sind speziell im Bereich der Krankentaggeld-Versicherung Prämienerhöhungen die Regel. Aber hier zahlen sich gut verlaufende Risiken und ein funktionierendes betriebliches Gesundheitsmanagement aus, um auch weiterhin gute Konditionen zu erhalten.

Autor:
Mirco Vivarelli
Bereichsleiter Nichtleben
Stv. Leiter Niederlassung Zürich
mirco.vivarelli@verlingue.ch