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27/05/2022

Frauen in der Führung – Jobsharing Führungsposition

Links: Carina Lehmann – Rechts: Manuela Keller

 

Auch im Jahre 2022 gibt es deutlich weniger Frauen als Männer in Führungspositionen. Je nach Branche sind die Unterschiede noch ausgeprägter. Gerade bei Versicherungsbrokern ist dies im Management deutlich. Verlingue ist einer der wenigen führenden Broker in der Schweiz, der mit Jasmine Sandra Forster eine Frau in der Geschäftsleitung hat. Bei Schweizer Versicherern selbst liegt der Frauenanteil im Top-Management bei 7%, wie 2021 aus einer Studie des Personalberaters Heidrick & Struggles hervorgeht.

Noch stärker ist der Unterschied, wenn es um Frauen in der Führung geht, die mit einem stark reduzierten Teilzeitpensum arbeiten.

Seit gut einem Jahr teilen sich Manuela Keller und Carina Lehmann die Stelle als Mandatsleiterin zu je 50 Prozent. Zusammen betreuen sie rund 30 Kunden im mittleren und grossen Kundensegment und führen ein Team mit 4 Personen.

Im Interview erzählen die beiden Powerfrauen, wie sie Familie und Karriere unter einen Hut bringen und was die Herausforderungen und Chancen sind.

 

• War es für euch von Anfang an klar, dass ihr auch mit Kindern weiterhin in einer Führungsposition arbeiten möchtet?

Ja. Die Betreuung der Kunden, die Führung des Teams und die Herausforderungen machen auch mit einem 50%-Pensum Spass und motivieren. Wir übernehmen gerne Verantwortung, sei es für das Team oder in Bezug auf die Versicherungslösungen unserer Kunden.

 

• Wie gestaltet sich die Arbeitsteilung bei euch im Team?

Wir haben die Verantwortung der Kundenmandate aufgeteilt und vertreten uns gegenseitig. Das Team führen wir gemeinsam.

 

• Wie trefft ihr die Entscheidungen?

Personelles besprechen wir immer gemeinsam. Für Kunden- bzw. Beratungsentscheide sichern wir uns häufig gegenseitig ab. Die Zweitmeinung erachten wir als sehr wertvoll und wertschöpfend für unsere Kunden.

Der Dienstag ist unser «gemeinsamer» Tag, an welchem wir uns meist im Büro treffen und unsere Woche organisieren bzw. «to dos» besprechen.

 

• Seid ihr immer einer Meinung? Oder braucht es das nicht?

Kaum zu glauben, aber wir sind uns tatsächlich zu 90% einig. Wir haben dieselbe Art und Weise zu führen und verfügen über ein gleichwertiges fachliches Knowhow. Das macht vieles einfacher. Ausserdem haben wir einen ähnlichen beruflichen Rucksack.

 

• Was sind die grössten Herausforderungen des Jobsharings?

Ein Jobsharing funktioniert, wenn beide dieselben Ziele verfolgen, analoge Führungsansätze und -kompetenzen sowie Wertvorstellungen haben. Weiter muss der Teamgedanke einen hohen Stellenwert haben und es darf sich niemand wichtiger nehmen als der andere und/oder Alleingänge tätigen. Zudem braucht es ein funktionierendes Team im Hintergrund, auf welches Verlass ist.

Das Jobsharing bringt somit diverse Herausforderungen mit sich. In der Zusammenarbeit schätzen wir es, dass wir uns auch privat super verstehen und ein grosses gegenseitiges Vertrauen vorhanden ist. Vertrauen, Loyalität und einen ehrlichen offenen Umgang miteinander erachten wir beide als sehr wichtig.

 

• Wie wird die geteilte Führungsstelle von Mitarbeitenden und der Kundschaft akzeptiert?

Das Team hat die neue Organisation von Anfang an getragen und unterstützt. Unsere Teammitglieder sind sogar dankbar darüber, zwei Anlaufstellen zu haben, wenn Fragen auftauchen. Jemand ist immer erreichbar und alle wissen, dass sie uns jederzeit anrufen können.
Seitens Kunden haben wir ausschliesslich positive Reaktionen erfahren. Sie finden es toll, dass Verlingue uns die Möglichkeit gibt, unsere Verantwortungen und Kompetenzen im Jobsharing weiterhin wahrzunehmen. Ausserdem schätzen die Kunden die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit. Vermutlich wäre ein Wechsel in der Mandatsleitung auf weniger Verständnis gestossen als die Jobsharing Lösung.

Das Jobsharing wird nun seit gut einem Jahr auf diese Weise praktiziert. Bis anhin haben wir seitens Kunden keine Reklamationen erhalten, dass beispielsweise Reaktionszeiten länger sind oder sie sich schlechter betreut fühlen. Im Gegenteil, die Kunden fühlen sich teils sogar noch besser aufgehoben, da sie gemerkt haben, dass wir tatsächlich sehr gut organisiert sind und sie von der jeweils 50%-Abwesenheit der anderen nichts merken. Diese Feedbacks spielen wir auch immer dem gesamten Team zurück. Auf dieses ist immer Verlass, was unseren Teilzeitjob umso toller macht!

 

• Wie reagiert das Umfeld (privat oder geschäftlich) auf das Jobsharing-Modell?

Privat kommt häufig die Frage, wie es läuft. Unsere Reaktion ist seit Beginn dieselbe. Wir finden kaum negativen Aspekte und weisen lediglich auf die Herausforderungen und Gegebenheiten hin, welche für uns relevant sind.

Wir kennen in unserem Umfeld niemanden, welcher sich die Führungsposition teilt. Die meisten staunen und alle finden es toll, dass Verlingue die Möglichkeit geschaffen hat.

 

• Was sind für euch die Vor- und Nachteile dieses Modells?

 

Es gibt fast nur Vorteile:

– Fachwissen und Kompetenzen, welche man sich über die Jahre erarbeitet hat, kann man weitergeben und ausbauen (keine persönlichen Rückschritte)
– die Kunden sind happy und dankbar über die langjährige Zusammenarbeit und Betreuung (Beständigkeit)
– Die Motivation und Antriebskraft stufen wir bei einem Teilzeitpensum als höher ein. Der Job ist nicht in erster Linie Arbeit, sondern Abwechslung, Herausforderung und Fortschritt.
– Man arbeitet effizienter, da die Arbeit häufig nicht auf den Tag danach verschoben wird. Es gibt weniger Zeit für Nebenschauplätze. Diesen Aspekt sehen viele Arbeitgeber nicht. Beispiel: Wenn zwei Personen bereit sind, Überstunden zu leisten und auch mal ein Telefon oder Termine ausserhalb der geplanten Arbeitstage wahrzunehmen, ist die Effektivität am Ende der Woche höher als bei einer Person mit einer Vollzeitbeschäftigung.

 

Nachteile sind:
– ein erhöhter Zeitbedarf und somit Ineffizienz, da ein zusätzlicher Kommunikationsbedarf und Austausch stattfinden muss. Entscheidungen werden gemeinsam gefällt. Diese Zeitfresser fallen weg, wenn die Mandats- und Teamleitung von einer Person wahrgenommen wird.
– Ausserdem stellt das Modell eine grosse persönliche Herausforderung dar, berufliches und privates unter einen Hut zu bringen. Es ist schwierig, der Familie, dem Job und sich selber gerecht zu werden. So stellt man seine Bedürfnisse oft nach hinten, damit es der Familie gut geht und das Team und die Kunden von möglichen Interessenkonflikten nichts mitkriegen.

 

• Ist Jobsharing aus eurer Sicht das Führungsmodell der Zukunft?

Wir haben fast nur positive Erfahrungen gemacht und können nicht verstehen, warum wir dieses Führungsmodell nur selten auf dem Markt antreffen. Wenn das Jobsharing funktioniert, ist es sowohl für die Arbeitnehmenden wie auch die Arbeitgeber eine Bereicherung. Ob das Modell generell in der Zukunft von Erfolg gekrönt ist, hängt unseres Erachtens klar davon ab, wie die Arbeitsbedingungen aussehen und wie gut die beiden Personen im Team funktionieren. Wie bereits erwähnt, gibt es neben grossen Chancen auch mögliche Gefahren wie Unstimmigkeiten untereinander, schlechte Organisation, unklare Zuständigkeiten oder ungenügende Kommunikation, was eine gute Zusammenarbeit dann behindert.

Zusammengefasst sind wir der Meinung, dass sowohl die Arbeitnehmenden wie auch die Arbeitgeber den Mut aufbringen sollten, dem Führungsmodell «Jobsharing» eine Chance zu geben.

 

• Was braucht es, damit Führung im Doppelpack gelingt?

Vertrauen, offene und direkte Kommunikation, gegenseitigen Respekt und Unterstützung, Bereitschaft eine Extrameile zu gehen, Organisation und Struktur.

Über Carina Lehmann

 

Ausbildung:

Dipl. Versicherungswirtschafterin HF

 

Berufserfahrung:

– Innendienstmitarbeiterin auf einer Generalagentur
– seit 15 Jahren im Bereich Broker und seit 9 Jahren bei Verlingue (früher Advantis)

 

Kinder:
– Lynn, 6 Jahre

Über Manuela Keller

 

Ausbildung:

Dipl. Versicherungswirtschafterin HF

 

Berufserfahrung:

– Kundenbetreuerin bei einem Lebensversicherer
– Innendienstmitarbeiterin auf einer Generalagentur
– seit 12 Jahren Verlingue (früher Advantis)

 

Kinder:
– Andrin, 18 Monate